Frau Isabelle Ulrich

Transfrau (MzF)

Bin ich jetzt lesbisch?

Eine interessante Frage, die bei uns zu Hause nun des öfteren diskutiert wird.

Seit Oktober 2018 gibt es in Deutschland gleichgeschlechtliche Ehen. Das war auch der Monat meines Outing. Der Grund ist dafür ganz simpel. Unsere Ehe sollte an meinem Weg nicht scheitern. Wir sind seit über 25 Jahren ein Paar und seit über 18 Jahren ein Ehepaar. 

Nun fiel für mich am 11.05.2022 das richterliche Urteil über mein neues Leben. Seit diesem Tag bin ich von Rechtswegen eine Frau. Somit führen wir seit diesem Tag auch eine gleichgeschlechtliche Ehe. Frau und Frau. 

Wenn uns fremde Menschen auf der Straße begegnen, dann sieht das ja nun auch so aus, wie es rechtlich bei den Behörden hinterlegt ist. 

Wir haben auch kein Problem damit, mit diesem Begriff in Verbindung gebracht zu werden. Aber für uns, stellt sich die Frage sehr häufig. 

Ist das nun so, weil wir jetzt offiziell zwei Frauen sind? Ich sage im aktuellen Zustand, NEIN sind wir nicht.

Wir wollen lesbisch werden, mit allem drum und dran und sind sicherlich auch schon auf dem richtigen Weg dorthin, aber angekommen in unserer fertigen Welt, sind wir noch nicht.

Ich habe vor gut einem Jahr die Küche für mich entdeckt. Vom leckeren Abendessen, über Kuchen usw. Eine große Umstellung, wenn Frau 1 nun Ihre heilige Küche teilen muss. Mittlerweile hat sich das sehr gut entwickelt, aber da gab es schon mal die ein oder andere Reiberei zwischen uns. 

Körperlich hat sich nun bei mir auch mehr als nur ein bisschen Verändert. Butterweiche Haut, Gefühlsausbrüche und natürlich auch die nicht übersehbaren äußeren Veränderungen. Eine Männerbrust, hat ein ganz anderen empfinden, als eine plastische Brust in einem Menschenkörper, der hormonell anders reagiert als vor einigen Jahren.

Mir hätte man früher Wäscheklammern an die Brustwarzen klemmen können, ohne dass ich gezuckt hätte. Heute kann ich kein RippShirt ohne BH tragen, sonst werde ich Warnsinnig. Die Brustwarzen sind dermaßen empfindlich geworden, dass ich toll, aber auch was völlig anderes zum Vorleben. 

Was das Mittelfeld betrifft, gibt es seit der Hormonbehandlung nichts drüber zu sagen, außer tote Hose. Das wird sich ja in Kürze hoffentlich ändern, aber da gab es nichts zum spielen in der letzten Zeit. Aber auch im Hinblick auf die kommende neue Zeit, müssen wir hier zu Hause erstmal lernen, mit dem neuen Körperteil uns zu beschäftigen.

Aber zurück zur Urfrage. Bin ich, oder noch besser: Sind wir zu Hause nun lesbisch?

Für mich betrachtet ist das wie mit der Transition. Das ist ein Weg der gegangen werden muss. Also rein rechtlich seit dem 11. Mai dieses Jahres: JA, auf der psychologischen Seite, ein ganz klares: Noch nicht!

Anja hat die Möglichkeit zum heutigen Tag nicht, eine vollständige Frau zu erleben, dafür fehlt noch der letzte Schritt und wer weiß wie lange dieser Weg noch sein wird, bis ich damit klar komme und diesen Bereich zur Spielzone freigebe.

Ich kann für mich heute auch noch nicht abschätzen, ob die paar Ausflüge mit Männern nur ein ausprobieren waren und ich es abhacke und wir die Türe der Offenheit wieder schließen und es somit nur wieder uns beide gibt. 

Ich denke, wenn diese ganzen Sachen bei uns geklärt sind und der ganz normale Alltag seinen Weg nimmt, dann ist meine Transition erst richtig abgeschlossen und auch erst dann, wenn alle neuen Erfahrungen und Entscheidungen für uns getroffen sind. Dann sind wir Lesben! 

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